Joann Chmell: „Ich habe keine Angst, an der Seite Israels zu stehen“

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Auf den ersten Blick scheint die 19-jährige Joann Chmell eine ganz gewöhnliche Freiwillige im Frühförderungskindergarten von ADI Negev-Nahalat Eran zu sein. Ihr strahlendes Lächeln kann den tiefen Schmerz nicht verhüllen, mit dem die junge Frau leben muss. Der Schmerz um die bitteren Wahrheit über ihre eigenen Wurzeln und ihren anhaltenden Kampf, um jeden Preis an der Seite Israels zu stehen.

Seit fünf Jahren engagiert sich Joann beim „Marsch des Lebens“, einer Initiative, die von Jobst und Charlotte Bittner und TOS Ministries in Tübingen ins Leben gerufen wurde, um die Nachkommen von Nazis und Nazi-Sympathisanten zu den lautesten Gegnern von den Antisemitismus von heute zu machen. Mit der Hilfe vom Marsch des Lebens konnte Joann endlich Antworten auf die unangenehmen Fragen finden, denen ihre Familie jahrzehntelang vehement aus dem Weg gegangen war.

Ihre Cousins und Cousinen ​​betrachten ihre beiden Urgroßväter mütterlicherseits als „ehrliche Männer mit Bürojobs“, die Wahrheit ist jedoch weitaus prekärer. Einer der beiden arbeitete am Bahnhof direkt außerhalb von Auschwitz und war aktiv an der letzten Slektion beteiligt, die stattfand, bevor die Züge das berüchtigte Konzentrationslager erreichte. Der andere war ein Polizist, der als stolzes Mitglied der NSDAP an der Kristallnacht teilnahm, bei der Durchsuchung jüdischer Häuser half und gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Todesmärsche mit organisierte.

Väterlicherseits arbeitete ein anderer Urgroßvater von seinem Büro im belgischen Antwerpen aus direkt für die Wehrmacht.

„Niemand in meiner Familie spricht darüber, dass diese Männer an Taten des reinen Bösen beteiligt waren. Sie suchen nach Entschuldigungen und finden Wege, sie für das Gute zu loben, das sie für die deutsche Gesellschaft getan haben. Ich wusste, dass wenn ich meiner eigenen Familie die Wahrheit über die Vergangenheit nicht zeigen konnte, ich etwas Drastisches tun müsste, um zumindest die Zukunft positiv zu verändern“, erklärt Joann.

„Eines der größten Euthanasielager der Nazis befand sich direkt vor meiner Heimatstadt Tübingen. Tausende Menschen mit Behinderungen wurden in diesem Lager ermordet, und es ist erschütternd, dass mein Urgroßvater Teil des Auswahlverfahrens war. Für mich ist es etwas ganz Besonderes, bei ADI Negev-Nahalat Eran zu arbeiten und zu leben, und das genaue Gegenteil zu tun: meine Menschlichkeit anzunehmen und zu sehen, was passieren kann, wenn man Menschen mit Behinderungen unbegrenzt Liebe schenkt und es ihnen ermöglicht zu wachsen und sich zu entfalten.“

Bis sie Israel Ende Mai verlässt, wird Joann sechs Monate lang ehrenamtlich in Israel gearbeitet haben: vier Monate bei ADI Negev-Nahalat Eran und zwei Monate mit Holocaust-Überlebenden in Caesarea.

„Es ist unwirklich, diese wichtige Arbeit hier in Israel zu machen und zu sehen, wie meine Mitmenschen in Deutschland, den USA und anderen Ländern dieselbe hasserfüllte Ideologie vertreten wie meine Urgroßväter. Es ist klar, dass viele Menschen nichts aus der Geschichte gelernt haben, also muss ich meinen Teil dazu beitragen und meine Stimme erheben. Alle Deutschen in meinem Alter müssen mehr Fragen stellen und die Wahrheit aufdecken, und ich fordere sie auf, meinem Beispiel zu folgen, auch wenn ich dabei Freunde verliere. Ich schäme mich nicht, meinen Israel-Anhänger zu tragen, und ich habe keine Angst, Freunde zu verlieren oder mir eine Zielscheibe auf den Rücken zu malen. Ich stehe für Menschlichkeit. Ich stehe an der Seite Israels.“

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