Kleine Schritte – Große Chancen

Über das ADI und seine Bewohner, von Micha Powilleit

Wenn morgens die Sonne über Jerusalem aufgeht, brennt im ADI schon Licht. Hier ein „Boker Tov“, da ein „Ma Nishma“. Das Pflegepersonal trifft ein. Stapel von Windeln und Handtüchern werden platziert. Rollstühle in die Schlafräume geschoben. Die Pfleger inspizieren den Plan, kommentieren spontane Änderungen. Dann wird diskutiert. Natürlich mit lauter Stimme und starker Gestik, wir sind schließlich in Israel. Im Hintergrund könnte man ansonsten das Wasserrauschen der Duschen hören. Der Tag hat begonnen.
Es ist ein neuer Tag im Leben von Simcha* (*Namen der Bewohner geändert) und Moshe, von David und Jonathan. Ihretwegen sind wir hier. Und wegen der vielen anderen jungen Menschen, die im ADI Jerusalem leben. Sie alle haben „besondere Bedürfnisse“ und ihre Diagnoseliste ist oftmals lang. Genetische Krankheiten sind dabei, andere hatten einen schweren Unfall, manche sind abhängig von externem Sauerstoff. Die allermeisten können nicht sprechen. Vielen muss das Essen angereicht werden. Begrenzungen und Hürden überall.
Doch wer sie kennenlernt, versteht, dass jeder von ihnen viel mehr ist als seine Behinderung. Gerade in ihrer Begrenztheit werden individuelle Fähigkeiten umso deutlicher. Simcha hat das breiteste Lächeln, Tom kommuniziert per Kopfbewegung über einen Computer und Matania ist Weltmeister in herzlicher Umarmung. Diese Fähigkeiten zu fördern ist ein großes Ziel von ADI. In einem TED-Talk spricht der ADI-Visionär Doron Almog über die Geschichte seines eigenen Sohnes Eran. Es war dessen Behinderung, die dem ehemaligen General Almog die Augen für die Probleme dieser Menschen und deren Ausgrenzung aus der Gesellschaft öffnete. Am Ende gründete er ein Dorf der Inklusion in der Wüste: ADI Negev.
ADI Jerusalem ist das Pendant in der pulsierenden Hauptstadt Israels. Auf fünf Stockwerken werden hier Kinder und Erwachsene individuell begleitet. Es gibt eine Lungenklinik, ein Kindesentwicklungszentrum, kostenlose Beratung für Eltern und eine große sonderpädagogische Schule. Viele werden morgens gebracht und gehen nachmittags wieder nach Hause. Andere wohnen hier. Ein multikulturelles Team kümmert sich um sie: Lehrerinnen, Reinigungskräfte, Küchenangestellte, Gesundheitsexperten und eine Reihe an Therapeuten.

Dazu kommen Zivildienstlerinnen und Volontäre. Auf dem 4. Stock begegnet mir Merle, die gerade mit Lea in kleinen Schritten Laufen übt. Sie ist eine von sechs deutschen Volontären, die sich für ein Jahr im ADI einsetzen. Als Deutsche in Israel sind sie hier, um Brücken zu bauen. Diesen jüdisch-christlichen Dialog finde sie sehr wichtig, meint Sophie, auf die Frage nach ihrer Motivation. Die gewonnenen Einblicke sind dabei oft bereichernd, manchmal auch krass. Anna berichtet mir über Gespräche mit Kolleginnen. Es geht um die Shoah und um die letzten Anschläge. Schwere Themen.
Doch die Stimmung im ADI ist allgemein nicht schwer, sondern fröhlich und energetisch. Die Kinder und jungen Erwachsenen sollen sich richtig wohlfühlen. Israelische Popmusik dröhnt aus jeder Ecke. Geburtstage werden gefeiert und in den Klassen wird gebastelt. Dabei kann auch auf die Fähigkeiten der einzelnen eingegangen werden. Dazwischen bleibt Zeit für die persönliche Begegnung mit den Bewohnern. „Man lernt voll die kleinen Dinge zu schätzen“, sagt Sophie, das könne ein einfaches Lächeln sein.
Und diese „kleinen Dinge“ gibt es immer wieder: Bevor sie in ihren wohlverdienten Mittagsschlaf fällt, ruft Hanna noch „Thank you, Sophia“ aus ihrem Bett. In einer Stunde wird es weitergehen mit Pflege, mit Aktivitäten und Therapien. Alles für diese besonderen Menschen, die mehr können, als man denkt.


Dank seiner Entsendeorganisation DIENSTE IN ISRAEL/Hagoshrim (dienste-in-israel.de) bekommt Micha als Freiwilliger bei ADI seit August 2022 die Gelegenheit, tagtäglich Gutes zu tun und die unterschiedlichsten Menschen aus der israelischen Gesellschaft ganz nah und persönlich kennenzulernen. Das ADI Jerusalem-Zentrum bietet ein breites Spektrum an Dienstleistungen und einzigartigen Gesundheits-, Rehabilitations- und Bildungslösungen für etwa 200 Kinder und Erwachsene mit kognitiven, entwicklungsbedingten und motorischen Behinderungen, die entweder im Zentrum wohnen oder für Schule und Therapien zum ADI gebracht werden. Das hochqualifizierte Personal und liebevolle und engagierte Freiwillige wie Micha widmen sich hingebungsvoll ihren Schützlingen und bieten auch Unterstützung für die Familien. Die 6 Freiwilligen von DIENSTE IN ISRAEL/Hagoshrim werden am 17.03.2023 am „Jerusalem Marathon“ teilnehmen, um die Hydrotherapie-Behandlungen der ADI-Bewohner zu sponsern. Bitte unterstützen Sie die jungen Leute bei ihrem so noblen Vorhaben: adi-il.org/hagoshrim4adi

Helfen Sie uns dabei, ADIs Kindern mehr Grund zum Lachen zu geben

Wir verändern die Leben von schwerbehinderten Kindern in Israel zum Guten - und Sie können das auch tun! Unterstützen Sie eines unserer Projekte, und Sie werden es unseren Kindern ermöglichen, trotz der Schwere ihrer Behinderungen, ein qualitatives und bedeutungsvolles Leben zu führen.