Meine Zeit als Freiwillige bei ADI Jerusalem

Wenn ich morgens meinen Rucksack für die Arbeit packe, dann rieselt da oft noch ein wenig Sand vom Wochenend-Trip in die Wüste raus.  Ziemlich früh klingelt mein Wecker und ich komme nur mühsam aus dem Bett, aber jeden Morgen, während ich in die Jerusalemer Niederlassung von ADI laufe, sehe ich den wunderschönen Sonnenaufgang über den Hügeln Jerusalems. ADI ist eine Einrichtung für Kinder bis junge Erwachsene mit teils schweren körperlichen und geistigen Behinderungen. Sie leben dort, haben tagsüber Programm mit Sonderpädagogen und Physiotherapieeinheiten – sogar einen Pool für Hydrotherapie hat‘s da.

Wegen Coronaregeln passiere ich zunächst ein Fieberthermometer und die Frage „ma schlomech?“ (hebr. für wie geht es dir?), zudem nehme ich mir eine Maske und einen Schutzkittel mit. Die gleiche Frage taucht dann nochmal auf meinem Stockwerk auf, wenn mich meine Mitarbeiter begrüßen – ich arbeite mit Juden, Muslimen, Christen zusammen, alle miteinander. Das ist in meinen Augen schon ein kleines Wunder und eine schöne Erfahrung, dass sowas auch unter streng Religiösen und Sekulären möglich ist.

Daraufhin geht es zu den Patienten, bzw. nenne ich sie lieber Kindern, denn nichts anderes sind sie. Der initiale Schock, als ich zum ersten Mal in die Arbeit kam, ist nun abgeklungen, doch dauert es generell schon eine Weile, sich an das Umfeld zu gewöhnen. Beim ersten Betreten des Raumes fiel mein Blick auf Magensonden, Beatmungsschläuche, Trachealzugänge, Rollstühle, Spucktücher. Bei der Einarbeitung sagte man mir, dass ich hier nicht nur eine helfende Kraft im Pflegepersonal bin, sondern eine neue Freundin für die Kinder, eine Bezugsperson, manchmal auch einfach eine Schulter zum Anlehnen.

Der Tagesablauf folgt einer strengen Routine: Ich helfe morgens bei der Pflege, wie Waschen, Windelwechseln, Anziehen. Daraufhin bringe ich die Kids in einen Raum, die Klasse, aus dem sie zur Physio-, Hydro-, Sprach-und Sinnestherapie abgeholt werden, bei welchen ich assistieren darf. Während ich mit ihnen Zeit verbringe, also Kommunikationsübungen mache (sie können nicht sprechen, Kommunikation läuft meistens über Augen) oder sie zu der Musik bewege, lerne ich langsam ihre Art der Kommunikation kennen. Ein Muskelzucken im Gesicht, ein schwaches Lachen, ein Laut, der Augenkontakt –Zeichen, dass sie mich wahrnehmen. Sie bekommen ein Gefühl von Kontrolle, wenn ich ihnen eine „Entweder-Oder“-Frage stelle und sie entscheiden können. Die Schläuche, Sonden, Rollstühle verschwinden aus meinem Fokus. Ich sehe den Menschen, die Persönlichkeit, bei der ich Geduld brauche, damit sie mir zugänglich wird. Manchmal sitze ich mit einem Kind da und wir lachen beide bis uns der Bauch wehtut; ein andermal bauen wir zusammen eine Murmelbahn auf, wenn ich ihnen Gitarre vorspiele nehme ich die Hand eines Kindes und streiche damit über die Saiten, sodass es ganz verdutzt schaut woher der Ton kam.

Noch nie in meinem Leben habe ich zuvor so viel gebastelt, denn für die (vielen!!) jüdischen Feiertage dekorieren wir fleißig die Zimmer, dabei hören wir hebräische Musik, bei der ich sogar das ein oder andere Wort aufschnappe. Neben den erlernten pflegerischen Tätigkeiten kriege ich also noch ganz viel Kultur und eine neue Sprache mit! Das frühe Aufstehen macht mir da nur ein bisschen was aus, denn diese Arbeit macht Spaß, zu sehen, wie die Kinder konstant versuchen eine ungewollte Grenze zu überschreiten, wie sie eigene Wege des Miteinanders finden und das enorme Vertrauen, welches sie in uns Pflegekräfte haben – wir sind ihre Hände und Füße, ihr Sprachrohr und Entscheidungsorgan.

Wenn es dann wieder Donnerstag ist, so packe ich meinen Rucksack erneut, um das Land weiter zu erkunden und es zu bestaunen – Ausflüge, auf denen ich mich selber manchmal wieder bestaune: Ich bin eine Volontärin in Israel, verrichte eine Arbeit, bei der ich viele kleine Wunder sehe, eigene Grenzen überschreite und an der ich wachsen kann –  und nebenher entdecke ich ein Land, das wunderbarer und reicher an jeglichen Schätzen, von Kultur bis Natur, nicht sein könnte.

Jana Trietsch

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